Die Achse
des Universums
Alan Kozłowski
Ich stehe auf dem Platz und zünde mir eine Zigarette an. Groß ist dieser Platz, denke ich. Irgendein Denkmal, Sitzbänke, Bäume und ein paar Kinder, die zur Straßenbahn eilen. Rundum historische Mietshäuser, deren beste Tage längst vorbei sind. Groß ist dieser Platz, denke ich. Ist das das Zentrum? Die Axis Mundi dieser Stadt? Der Stadt an der Grenze, an der Wende. Diese Achse des Universums hatte Kraft und Wirkung, die größer waren als die von Gott, und das lokale Establishment glaubt wohl nach wie vor an dieses Wunder. Es ist doch die Stadt des Papstes, der kleinen Pastete und des Fisches mit Schokoladenduft. Wie kann es also misslingen?
Groß ist dieser Platz, denke ich. Eine Schlange von Autos, in denen Menschen ohne Eile nach einem besseren Leben streben. Glauben sie immer noch daran? Sie sollten es schon, die Stadt wird doch von der Allee des polnischen Papstes durchschnitten. Es gibt gewisse Verpflichtungen. Das war ein Kerl!, denke ich mir. Ich frage mich, ob er mal einen Frittburger probiert hat.
Ich gehe in einen Pub. Eine Wendeltreppe, kitschige Poster und Malereien lokaler Künstler präsentieren auf eine prägnante Art und Weise den Zustand der Kreativität und den Geschmack der Stettiner. Ich bestelle das Übliche und gehe auf eine Zigarette hinaus. Ich denke an Manhattan. Aber nicht an das hinter dem großen Teich. An das lokale im Bezirk Niebko – das elektrische Kulturgebilde im Zentrum Stettins. Paris des Nordens oder vielleicht das Alte New York?
Ich stecke irgendwo zwischen heimatlichem Warschau, alltäglichem Posen und Stettin, das mir mein Herz gestohlen und mich mit Freunden beschenkt hat. Was man immer auch Schlimmes über diese Stadt sagen könnte – ich verstehe sie. Eine Stadt mit vielen Identitäten, vielen Widersprüchen und einer noch größeren Unsicherheit. Eine Niemandsstadt? Ich identifiziere mich mit ihr. Ich schwebe über ihr. An der Grenze, aber ohne Gleichgewicht.
Sie ist genauso zerschlagen wie ich. Sie erhebt sich wie Milchhaut auf der Milchsuppe, wie Kaffeesatz im Kaffee. Fällt sie auch zu Boden?
Und die Welt dreht sich weiter: Niebko-Terror. Warmer Empfang. Ich erinnere mich, wie ich mich in einer Warschauer Plattenbausiedlung flegelhaft herumtrieb, und verstehe den Mechanismus und die Kraft, die sich der jungen Seelen aus Niebuszewo bemächtigten. Ich fühle es nach. Die Lokalpatrioten stehen am Eingangstor an der Ecke zwischen Asnyk und Orzeszkowa herum, verschlingen genüsslich ihre Kebabs und schlürfen dabei eine strohfarbene Flüssigkeit. Ich frage mich, ob es ihnen bewusst ist, dass vor nicht so langer Zeit ihre Kumpels – in große grüne Waggons gepackt – von diesem Bahnhof weggefahren sind. Kumpels oder Fremde? Die Menschen reden jetzt klug und werfen Blicke, als ob sie töten wollten. Aber ich habe keine Angst. Trübsal und Leere sind eine schwache Munition. Ewig besoffen sind sie. Berauscht von einem kleinen Zwischendurch. Es regnet. Flüssigkeiten und Wasser schwappen in ihren Schuhen und Köpfen. Ich frage mich, ob sie es wagen, diese Schicht Patina und Schmutz von den Straßen und von ihren besudelten Philosophengesichtern abzukratzen.
Alan Kozłowski
Aus dem Polnischen von Artur Kołasinski